Am 18. September 2024 fand in Dresden der Fachtag „Altersdiskriminierung im Alltag älterer Menschen“ im Haus der Kathedrale in Dresden statt. Veranstaltet wurde die Fachveranstaltung durch das Bildungswerk für Kommunalpolitik Sachsen e.V. (BKS), die Landesseniorenvertretung Sachsen (LSvfS) und die Sächsische Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e.V. (SLfG). Mit etwa 60 Teilnehmenden war die Veranstaltung gut besucht und auch wir – die Sächsische Generationenagentur (SGA) – waren anwesend.
Der Fachtag Altersdiskriminierung im Alltag älterer Menschen am 18.09.2024 in Dresden rief wichtige Themen auf den Plan.
Eröffnungsworte: Ein gemeinsames Signal gegen Altersdiskriminierung
Heidrun Weigl, die Vorsitzende der Landesseniorenvertretung Sachsen, eröffnete die Veranstaltung und übergab das Wort an Thomas Früh, den Landesseniorenbeauftragten von Sachsen.
Thomas Früh begann seinen Redebeitrag mit einem klaren Appell, den Blick auf alle Generationen zu richten und Altersdiskriminierung als gesamtgesellschaftliches Problem zu begreifen. Altersdiskriminierung betrifft nicht nur ältere Menschen, sondern auch Jüngere, die wegen ihres Alters oft nicht ernst genommen werden. Er betonte, dass sowohl Generationen als auch Altersbilder immer im Plural stehen und sehr divers sind. Ein positives Altersbild sei entscheidend, um das Altern nicht als Defizit zu betrachten, sondern als individuellen Prozess. Der Landesseniorenbeauftragte hob die Rolle der Sächsischen Generationenagentur als Akteur für die Zukunft der Generationarbeit und im Bereich generationenübergreifender Zusammenarbeit hervor.
Anschließend wurde Dr. Kristin Klaudia Kaufmann, Beigeordnete für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wohnen der Stadt Dresden, auf die Bühne gebeten. Frau Kaufmann ging in ihrem Beitrag auf konkrete Bereiche ein, in denen Altersdiskriminierung sichtbar wird. Jeder zehnte Mensch fühlt sich aufgrund seines Alters diskriminiert. Sie verwies auf Beispiele aus der Arbeitswelt, wo Jobangebote oft Altersgrenzen setzen, sowie aus der Medizin, wo ältere Menschen anders behandelt werden. Auch die Digitalisierung stellt eine Hürde dar, insbesondere für ältere Menschen, die oft Schwierigkeiten haben, am digitalen Leben teilzunehmen. Sie rief dazu auf, sich um Familien zu kümmern und ältere Menschen in ihrer Selbstbestimmung zu stärken. Besonders interessant war Kaufmanns Forderung nach einer Erweiterung von Artikel 3 des Grundgesetzes, um das Diskriminierungsverbot hinsichtlich des Alters stärker zu verankern. Ein zentrales Anliegen von ihr war die aktive Teilhabe älterer Menschen, die nach dem Renteneintritt weiterhin arbeiten möchten, dies jedoch aus eigenem Wunsch und nicht aus finanzieller Not heraus tun sollten. Sie betonte, dass Empowerment in Form von Beratung, Begegnungen und Unterstützung essenziell ist, um eigenverantwortliches Altern zu ermöglichen.
Die eröffnenden Beiträge verdeutlichten, wie wichtig es ist, Altersdiskriminierung gesamtgesellschaftlich zu betrachten und generationenübergreifend zu handeln.
Fachvortrag von Prof. Dr. Kessler: Ageismus – Ein komplexes gesellschaftliches Phänomen
„Die Gesellschaft ist keine Freundin des Alterns“1
Prof. Dr. Eva-Marie Kessler, Professorin für Gerontopsychologie an der Medical School Berlin, erklärte in ihrem Fachvortrag, dass Altersdiskriminierung oft unbewusst in der Gesellschaft verinnerlicht wird. Sie rief zu Sensibilisierung und intergenerationalen Projekten auf, um Altersbilder nachhaltig zu verändern. Prof. Dr. Kessler brachte mit Ihrem Vortrag das Thema „Ageismus“ in den Diskurs ein, das weit mehr umfasst als reine Diskriminierung aufgrund des Alters. Sie betonte das diese anglizistisch geprägte Bezeichnung, als Begriff für viele Menschen gewöhnungsbedürftig ist, sich aber in der auf das Alter bezogenen Diskriminierungsdebatte mittlerweile als Vokabular etabliert hat.
Ageismus bezeichnet gesellschaftliche Strukturen und Normen, die Menschen aufgrund des Alters benachteiligen und oft ein stereotypes, defizitorientiertes Altersbild verbreiten. Besonders betonte Kessler, dass Ageismus in der Gesellschaft weniger problematisiert wird als andere Diskriminierungsformen wie Sexismus oder Rassismus. Dabei habe Ageismus immense volkswirtschaftliche Auswirkungen und sei oft von den Betroffenen selbst verinnerlicht – ein Konzept, das mit dem Satz „Aus Altersfremdbildern werden Altersselbstbilder“ verdeutlicht worden ist. Dr. Kessler forderte ein Umdenken und konkrete Maßnahmen, um Ageismus entgegenzutreten. Dazu gehören gesetzliche Neuerungen, die Überwindung von Altersgrenzen und intergenerationale Programme, die jüngere und ältere Menschen zusammenbringen, um gemeinwohlorientierte Projekte zu gestalten. Selbsterfahrungs-Workshops könnten dabei helfen, das Bewusstsein für Altersdiskriminierung zu schärfen. Der Satz „Die Gesellschaft ist keine Freundin des Alterns“, verdeutlichte, dass ein kultureller Wandel notwendig ist, um das Alter(n) in all seinen Facetten zu akzeptieren und auch die positiven Aspekte des Alter(n)s in den gesellschaftlichen Diskurs zu bringen.
Verweis: Gemeinsam mit Prof. Dr. Lisa Marie Warner hat Prof. Dr. habil. Eva-Marie Kessler im Rahmen eines Forschungsprojektes der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine umfassende Studie über Ageismus veröffentlicht.
Fachvortrag von Prof. Dr. Jabs: Depressionen und Demenz
Der zweite Fachvortrag wurde von Prof. Dr. Burkhard Jabs, Vorsitzender des Dresdner Bündnisses gegen Depression gehalten und beschäftigte sich unter anderem mit der oft unterschätzten Altersdepression. Er hob hervor, wie wichtig es ist, Depression im Alter frühzeitig zu erkennen und von Demenz abzugrenzen. Prof. Dr. Jabs thematisierte, dass Depressionen im Alter oft nicht ausreichend diagnostiziert werden.
Besonders ältere Menschen leiden darunter, dass ihre Symptome oft als normale Alterserscheinungen abgetan werden. Dr. Jabs betonte die Notwendigkeit einer besseren Aufklärung und Sensibilisierung im Umgang mit Altersdepressionen, sowohl bei Fachkräften als auch in der Gesellschaft. Er erläuterte Symptome, die spezifisch bei älteren Menschen auftreten können, und ging auf geeignete Behandlungsansätze ein. Weiterhin thematisierte er die Abgrenzung zwischen Depression und Demenz.
Depression vs. Demenz, Beahndlungsmöglichkeiten von (Alters)Depression bis hin zu den Gedanken über assistiertem Suizid
Depression ist durch eine konstante depressive Stimmung gekennzeichnet, die schwer beeinflussbar ist. Häufig beginnt sie innerhalb weniger Wochen, und frühere Episoden sind nicht unüblich.
Betroffene fühlen sich gehemmt und verlangsamt, jedoch ohne Verwirrtheit. Sie klagen über ihren Zustand, sind besorgt und leiden unter Schuldgefühlen sowie Versagensängsten. Demenz hingegen zeigt sich durch eine instabile Stimmung, die leicht beeinflusst werden kann. Der Beginn ist schleichend und zieht sich über Monate hin. Betroffene zeigen Desorientierung und bagatellisieren oft ihre Defizite, wobei sie weniger besorgt sind und eher andere beschuldigen.
Über die Behandlung von Demenz
Die Zentrale Behandlungssäulen umfassen die medikamentöse Therapie, insbesondere mit Antidepressiva, und Psychotherapie, wobei die kognitive Verhaltenstherapie als besonders wirksam gilt. Er stellte weitere – teils ergänzende Behandlungsverfahren vor u.a. Lichttherapie, Wachtherapie, Elektrokonvulsionstherapie, körperliches Training und repetitive Magnetstimulation (rTMS).
Stärkung von Fürsorge, Pflege und einer lebensfreundlichen Gesellschaft – um Suizidgedanken entgegenzuwirken
Ein weiteres Thema war der assistierte Suizid, dabei bezog er die Forderung der „Münchner Erklärung 2024“ mit ein – dass niemand durch gesellschaftlichen oder ökonomischen Druck zum Suizid gedrängt werden dürfe. Im Gegensatz soll eine Stärkung von Fürsorge, Pflege und einer lebensfreundlichen Gesellschaft entgegenwirken, dass Menschen in Altersdepression den assistierten Selbstmord als einzigen Ausweg betrachten.
Sein Vortrag war ein Appell, die psychische Gesundheit im Alter stärker zu thematisieren und mehr Ressourcen für die Diagnose und Therapie bereitzustellen. Prof. Dr. Jabs hob hervor, dass soziale Isolation und fehlende Teilhabe Faktoren sind, die Altersdepressionen verstärken, und forderte mehr Programme zur aktiven sozialen Integration älterer Menschen.
Podiumsdiskussion: Praktische Perspektiven aus der Medizin und Gesellschaft
Am Nachmittag fand eine spannende Podiumsdiskussion statt, an der unter anderem Erik Bodendieck, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer und Facharzt für Allgemeinmedizin, teilnahm. Bodendieck betonte die Rolle der Ärzteschaft, ältere Menschen ernst zu nehmen und eine ganzheitliche medizinische Versorgung sicherzustellen.
Sein Blick aus der Praxis ergänzte die Perspektiven aus Wissenschaft und Gesellschaft der anderen beiden Diskussionsteilnehmer. In der Podiumsdiskussion des Fachtags wurden verschiedene Perspektiven zu Altersdiskriminierung beleuchtet. Nelle Jung, Vertreterin des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (SMS), brachte die gesellschaftspolitische Perspektive ein. Sie stellte zudem die kürzlich veröffentlichte Befragung „Generationen 60+ in Sachsen“ vor, die durch Rauh Research Management durchgeführt und validiert wurde. Die Ergebnisse dieser Erhebung bieten wertvolle Einblicke in die Lebenssituation und Bedürfnisse älterer Menschen in Sachsen und liefern wichtige Anregungen für künftige Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität dieser Bevölkerungsgruppe.
Neben Jung nahm auch Prof. Dr. Eva-Marie Kessler, an der Diskussion teil. Sie knüpfte an ihren Vortrag über Ageismus an und beantwortete Fragen zum Umgang mit älteren Menschen in der Behandlung und Betreuung. Kessler betonte, dass ältere Menschen oft unter subtilen Formen der Diskriminierung leiden, insbesondere im Gesundheitswesen, und unterstrich die Bedeutung von Sensibilisierungsmaßnahmen, um Vorurteile abzubauen.
Stephan Koessling, Geschäftsführer der Sächsischen Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e.V. (SLfG) führte als Moderator souverän durch die Gespräche und leitete die Diskussion zwischen dem Podium und den Fragen aus dem Publikum.
Unser Fazit zum Fachtag:
Generationenübergreifende Arbeit für ein besseres Miteinander
Der Fachtag bot wichtige Impulse, um das Thema Altersdiskriminierung in der Gesellschaft stärker zu verankern und sensibilisierte die Teilnehmer für die Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt.
Der Fachtag „Altersdiskriminierung im Alltag älterer Menschen“ hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig der generationenübergreifende Dialog ist, um Altersbilder in der Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Durch die Beiträge der Fachvorträge und die Diskussionen wurde deutlich, dass wir als Gesellschaft verstärkt Maßnahmen ergreifen müssen, um Diskriminierung aufgrund des Alters entgegenzuwirken. Dies gilt nicht nur im Gesundheitswesen, sondern in allen Lebensbereichen.
Die Veranstaltung hat wichtige Impulse für die Zukunft der Generationenarbeit in Sachsen gesetzt, insbesondere im Hinblick auf den Abbau von Vorurteilen und die Förderung eines respektvollen Miteinanders zwischen den Generationen. Der offene Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis werden weiterhin von zentraler Bedeutung sein, um die Herausforderungen des demografischen Wandels erfolgreich zu bewältigen.
- Zit. aus dem Vortrag Prof. Dr. Eva-Marie Kessler (Medical School Berlin,Prorektorin Interdisziplinarität und Wissenstransfer Professur für Gerontopsychologie) ↩︎